Wie immer in besonders aufregenden und arbeitsamen Zeiten laufen meine kreativen Schübe und damit auch meine Protagonisten, Amok. Wer glaubt, meine Nächte gehörten dann noch mir, irrt sich gewaltig.
Das Folgende hat sich – selbstverständlich 😉 – genauso zugetragen:
»Psssst ..!«
Ich brumme und versuche, mich umzudrehen. Das Zischen wird lauter und ich schrecke auf. Cale sitzt an meiner Bettkante.
»Was …«
»Endlich bist du wach. Dieses lange Schlafen ist echt eine schlechte Angewohnheit von dir.«
Ich hebe die Hand – und lasse sie wieder sinken. Seine Augen glänzen voller Energie, es ist sinnlos, ihn daran zu erinnern, dass ich kein Berserker bin, der kaum Schlaf braucht. Oder keinen bekommt, weil seine Autorin ihn nicht schlafen lässt … Verdammt.
»Es ist mitten in der Nacht, Cale. Was gibt es denn so Wichtiges?«, weiche ich auf ungefährlicheres Terrain aus.
»Endlich kommen wir zur Sache. Also. Ich dachte, da Fenryr ja …«
»Können wir das nicht doch morgen bereden?«, unterbreche ich ihn mit freundlicher Verzweiflung, »es ist mitten in der Nacht!«
Seine gerunzelten Augenbrauen sagen mir, dass das für ihn ein Grund, aber kein Hindernis ist.»Ja und? Diese Zeit ist für uns so gut wie jede andere. Während du schläfst, Band 3 und 4 den letzten Schliff gibst, arbeitest, postest und was du sonst noch tust, geht es nicht weiter mit uns! Sieh dir Tris an!« Er deutet auf den blonden Seque, den die Dunkelheit hinter Cale freigibt. Er steht da, den Kopf gesenkt, die schon vorher so melancholischen Augen zusammengekniffen. Hinter ihm erkenne ich Phen, dessen Blick sehnsüchtig auf Seths Logos ruht. Wo ist das faltbare Loch, wenn man eines braucht, um zu verschwinden?
»Ich kümmere mich um ihn. Versprochen! Aber nicht gerade jetzt …« Ehe ich den Satz beenden kann, formiert sich die Nacht hinter Cale neu und Seth erscheint. Mist, der gesenkt Kopf, der brennende, befehlsgewohnte Blick verheißen nichts Gutes.
»Wann denn?« Seine sonst so angenehme Stimme ist mit Stahl unterlegt. »Er ist mein Logos. Du wirst ihm helfen. Immerhin verdankt er dir seine Probleme.«
Ein Seufzer entschlüpft mir. »Ja, und ich werde sie lösen.«
»Ach ja? Und was ist mit mir?«
Erst jetzt bemerke ich Devron, der an der Fensterbank lehnt. »Wolltest du meine Geschichte etwa so enden lassen?« Der so freundliche und verbindliche Seque sieht ungewohnt verdrießlich drein. Nun ja, wenn ich an Berserkerblut 3 denke, kann ich ihm das irgendwie nicht verdenken …
Besänftigend hebe ich die Hände. »Der nächste Band gehört dir, das hatten wir doch bereits besprochen!«
»Ja. Das setzt jedoch voraus, dass du ihn schreibst. Aber gut, ich sehe ja, wie viel du zu tun hast. Außerdem klappt es schneller mit meiner Geschichte, wenn du die neuen Berserkersohn-Bände veröffentlicht und damit erledigt hast.« Das klingt schon eher nach meinem Devron.
»Und was ist mit uns?« Wow. Die vier, allesamt Mondgängerinnen, haben eindeutig zu viel Zeit miteinander verbracht. Die Frage ertönt wie ein vierstimmiger Chor.
»Erst mal, denke ich, wären wir dran«, brummt Crash aus Richtung Treppe.
Plötzlich füllt sich das Schlafzimmer mit laut diskutierenden Protagonisten.
Auch »No Name« lugt um die Ecke. Ich kann die rosafarbenen Tentakel des Monsters sehen, die über seine Schulter tasten.
»Ruhe!«
Schlagartig verstummt meine sonst so geliebte Meute. Chrome schiebt sich ins Zimmer. Er muss sich unter dem Türstock hindurch ducken. »Sie hat recht. Sie braucht ihren Schlaf. Das ist bei der schreibenden Zunft so. Morgen macht sie sich kurz Notizen für die neuen Romane und Geschichten – und setzt alles daran, die aktuellen Bände fertigzustellen und auf den Markt zu bringen. Nicht wahr?«
Seine Wolfssaugen, die mich aus seinem menschlichen Gesicht anblitzen, sowie die Tonlage machen die Frage zum Befehl. Beflissen nicke ich. »Okay, einverstanden. Wenn es das ist, was ihr wollt. Dann werde ich weiter mit Hochdruck an der Fertigstellung von Berserkersohn 3 und 4 arbeiten – wie meine Lektorin ja ebenfalls … Glaubt mir, ich will nichts lieber, als sie endlich veröffentlichen, aber leider hat man ja nicht immer alles so in der Hand, wie man möchte …«
Zustimmendes Gemurmel ist die Antwort. Cale lächelt mich an. Er hat die Arme verschränkt und lehnt sich unauffällig gegen Seth. »Warum sagst du das nicht gleich?«
Ich reibe mir die Stirn. »Dann darf ich jetzt weiter schlafen?«
Alle nicken – Gott sei Dank versöhnlich – und murmeln einen Abschied oder einen Gute Nacht-Gruß. Im Flur höre ich etwas Nasses über den Boden rutschen.
»No Name«, rufe ich, »vergiss das Monster nicht!«
Und plötzlich ist der Spuk vorbei. Nur noch die stille Nacht füllt das Schlafzimmer, das mir mit einem Mal riesengroß und leer erscheint.
»Wass’n?«, nuschelt es von meiner anderen Betthälfte und ich muss unweigerlich lächeln.
»Nichts«, antwortete ich und mein Lächeln verbreitert sich, »nur das Übliche.«
»Oh gut, ds-s gud …« Schon klingen die Worte wieder schlaf-verwaschen und gehen über in ruhiges Atmen.
Ja, denke ich. Das ist gut. Und immer noch lächelnd schlafe ich ein.
Schön, dass Du hier bist! :-*