(Achtung, diese Leseprobe schließt direkt an die vorhergegangene an!)

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kellepics, Pixabay

Wir waren zum Eingang zurückgekehrt.
Balder ging zu dem riesigen Spiegel und sah hinein. Eine Sekunde später zischte es. Der dicke Spiegelrahmen schob sich an allen vier Rändern nach innen. Die glänzende Fläche wich hinter die Wand zurück und glitt mit leisem Sirren zur Seite.

Vor uns tat sich eine geräumige Kabine auf. Balder trat ein, drehte sich um und sah mich erwartungsvoll an. Donar ließ mir grinsend den Vortritt. Hinter ihm schloss sich Tür. Es surrte und mit einem mal fühlte ich mich, als würde ich ins Bodenlose stürzen. Ehe ich mich versah, bremste die Kabine und ich hatte das Gefühl, mich abfangen zu müssen, als sei ich aus dem zweiten Stock gesprungen.

Die Tür vor uns öffnete sich erneut. Wie erstarrt blieb ich stehen.

Mir bot sich eine riesige Halle dar. Die Decke war nicht rechtwinklig, sondern wölbte sich von der einen Seite bis zur anderen fast bis über
den Boden.
Indirekte Beleuchtung betonte in Nischen sicher geborgene Sitzgelegenheiten. In einer Wand mir gegenüber erstreckte sich ein
breites ovales Fenster, aus dem ich die goldenen Lichter einer Stadt bestaunen konnte, die in ein Bergtal eingebettet lag. Der Sternen-himmel überspannte die Szenerie und ein heller Mond ließ die zerklüfteten Berge mit weißen Kappen malerisch hervortreten.

Reflexartig blickte ich zurück und durchdachte, wo wir gerade herkamen. Erst, als mein Blick auf die beiden Berserker hinter mir fiel, wurden
meine Augen schmal.

Balder und Donar feixten von einem Ohr bis zum anderen, bis ersterer in lautes Gelächter ausbrach und sich haltsuchend an der Schulter seines Kampfgefährten festklammerte.
»Hast du gesehen, wie er überlegt hat, wo das Haus gelegen ist, in dem wir sind?«, japste er und wischte sich eine Lachträne aus dem
Augenwinkel. Donar konterte, nicht weniger erheitert: »Viel besser fand ich sein mühsam höfliches Gesicht, als wir die obere Etage besichtigt haben. Hmmm, schön, hat er gesagt!«
Als sich die Männer wieder gefangen hatten, fragte Balder mich: »Hast du wirklich geglaubt, wir alle würden zusammen auf den paar Quadratmetern leben und trainieren?« Er schlug mir auf den Rücken und trat gänzlich aus dem Aufzug. »Komm mit. Jetzt zeigen wir dir, wo wir tatsächlich leben«, sagte er gut gelaunt und ließ mir den Vortritt.

Erst, als wir weitergingen, sah ich, dass von der futuristisch anmutenden Halle mehrere Gänge abzweigten.

»Auf dieser Etage liegen die Quartiere. Unsere richtigen Quartiere«,
erläuterte Balder mit seiner heiseren Stimme. Ich warf ihm einen Blick von der Seite zu. Er hatte ein ähnlich attraktives Gesicht wie Seth, das auch durch die Narbe nicht an Charme verlor.
Offenbar war meine Musterung nicht unentdeckt geblieben, denn Balder drehte sich zu mir und fragte: »Ja?«

Etwas verlegen grinste ich schief. »Entschuldige bitte, du erinnerst
mich an jemanden.«

Er lachte. »Ich hoffe, an jemand Sympathischen.«
»Bring ihn nicht auf dumme Ideen, Cale, er ist noch nicht vergeben«, kommentierte Donar.
Ups. Balder war also
(schwul)
wie Seth und ich? Immer noch erschien mir dieser Gedanke wie ein neues Land, das es zu entdecken galt. Ein Paralleluniversum, das ich erst jetzt betreten hatte.
Gott sei Dank wartete keiner der beiden Berserker auf eine Reaktion. Vielleicht fanden sie dieses Thema auch viel zu selbstverständlich.
Etwas, worauf ich noch hinarbeiten musste.

… to be continued